Im Raum schwebende Gebilde

Galerie Oberem zeigt Arbeiten von Enrik Hupeden

Das menschliche Auge ist immer auf der Jagd nach Botschaft, Signal und Bedeutung. Wo ihm dies, etwa in der konkreten oder abstrakten Kunst, verweigert wird, arbeitet es fieberhaft, um dem Fremden etwas bereits Bekanntes abzugewinnen, zumindest plausible, zusammenhängende Bildräume zu verorten. Enrik Hüpedens Bilder, die jetzt in der Bremer Galerie Oberem zu sehen sind, schlagen genau mit dieser Eigen-Initiative der menschlichen Optik Feuer.
Hüpedens Werke sind zwar nüchterne konkrete Erscheinungen, streng abstrakte Setzungen- und doch hochspirituell, pathetisch, kosmisch. Dabei arbeitet dieser Künstler mit denkbar einfachen Mitteln: Klebestreifen auf Papier, Spritzpistole und dazu jeweils nur wenige, prägnant Farbakzente, die oft aus tiefem Schwarz heraus leuchten. Die Klebestreifen werden im Laufe des Arbeitens zunächst addiert, um zu unterschiedlichen Farbtönen zu gelangen, gegen Ende der Komposition werden sie dann schrittweise entfernt. Diese Vorgehensweise verlangt dem Künstler hohes handwerkliches Geschick und vorausschauende Intelligenz ab. Die Resultate sind frei im Raum schwebende Gebilde, deren eigene vibrierende Räumlichkeit im Unklaren bleibt. Die Farbstreifen, aus denen sie bestehen, wirken wie Lichtspuren auf Fotopapier; sie bedeuten im Wortsinn nichts und sind sich selbst genug. Manchmal sind es Staffelungen, dann wieder konzentrische Knoten, Dreh- und Angel-Formen zwischen Zufall und Steuerung.
Aber Hüpeden schafft auch Räume aus Balken und Versatzstücken die zentralperspektivisch gebaut sind, mal auch spiralig gedreht. Sie lassen an Vorläufe der Op Art, an Naum Gabo, Fruhtrunk oder Buren denken. Doch diese avantgardistischen und zugleich galaktischen Gebilde sind nie epigonal. Hüpedens Präzision ist konstruktiv aber nicht steril, er leistet sich auch ruppige Kanten und scheinbar ungenaue Anschlüsse. Barbara Oberem zeigt auch in ihrer sechsten Ausstellung wieder eine überzeugende ausgewogene Reihe von ästhetischen Erkundungen.
Rainer B. Schossig, Weser-Kurier, Bremen, 29.03.2013

 

 

Die Betrachter werden Teil der Bildstruktur

Dynamische Raumkonzepte: Der Maler Enrik Hüpeden stellt in der Karlsruher Galerie Rottloff aus

Enrik Hüpedens Malerei bewegt sich zwischen einer minimalistischen und ornamental-barocken Formensprache -ein stilistischer Gegensatz, wie er größer nicht sein könnte. Und doch schafft es der Maler, die klare, geo-metrische Struktur des Minimalismus mit der dynamischen Opulenz, wie man sie aus dem Barock kennt, zu vereinen. In der Karlsruher Galerie Rottloff hat der Künstler so unter dem Titel „Raum 5" eine Ausstellung konzipiert, die laut Hüpeden eine "Ausstellung in der Ausstellung" zeigt, ja die dem Betrachter bereits in ihrer Konzeption einen Dialog zwischen Statik und Dynamik erfahrbar werden lässt.
So zeigt der Maler eine Folge von Lackbildern, deren Bildgegenstand sich aus voreinander geblendeten, in verschiedenen gedeckten Farben gemalten Ellipsen formt. Diesen auf Leinwand ausgeführten Tafelbildern hat Hüpeden eine sich über drei Räume erstreckende Wandmalerei gegenübergestellt, wobei die architektonische Ausrichtung dieser Malerei die zeitgleiche Betrachtung der Lackbilder nicht erlaubt.
Im Gegenteil: Vielmehr wird durch die Wandmalereien der Blick des Betrachters von den Exponaten auf die Architektur des Ausstellungsraumes gelenkt, die Hüpeden mit seiner Malerei gleichsam als Kunstwerk definiert. Drei hinter einander liegende Wände wurden so von ihm mit einer je spezifischen, an die Op-Art angelehnten Bildstruktur bemalt, die einen Teil des jeweiligen Raumes -gleich einer Tapete mit einer Bildfläche überzieht. Durch den das jeweilige Wandbild durchdringenden Türbogen ist die Folge der Zimmer und damit die Raumflucht sichtbar, wobei sich die einzelnen Bildstrukturen der jeweiligen Wandmalerei in ihrer Staffelung im Auge des Betrachters zu einer Assemblage zusammenfügen. Die Anordnung der geometrisch-abstrakten Bildelemente lässt den Betrachter in die Struktur des Bildes eintauchen. Die Eigendynamik des Bildes geht hierbei auf den Raum über, entfaltet sich in ihm und bindet so auch die Wahrnehmung des Betrachters an die Bildhaftigkeit des Raumes.
Enrik Hüpeden (geboren 1966 in Hamburg) hat 1989 bis 1994 Malerei an der Karlsruher Akademie der Bildenden Künste studiert und 1995 als Meisterschüler von Erwin Gross absolviert, woraufhin er ein weiteres Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie bei dem Konzeptkünstler Jan Dibbets anschloss. Seine Malerei in einen bestehenden Kontext, wie so auch bei dieser Ausstellung in ein festes Raumkonzept einzubetten, ist kennzeichnend für Hüpedens Arbeitsweise. Es ist hierbei vor allem das über Details vermittelte Spezifische einer Raumsituation, das den Impuls seiner Malerei freigibt -und diese als dynamisches Element dem bestehenden Statischen einverleibt.
Christina Irrgang, Badische Neueste Nachrichten, 25.1.2010

 

 

Der Blick findet keine Ruhe

Wenn es in Köln einen Kunstraum gibt, an dem jede Ausstellung grundsätzlich zu einer Überraschung wird, dann ist dies das Kunstwerk. Zur Präsentation der Malerei von Enrik Hüpeden wurden die Wände der großen Ausstellungshalle schwarz angestrichen. In Kombination mit dem alten schwarzen Plattenfußboden auf dem noch Spuren der Industrienutzung der ehemaligen Fabrikhalle präsent sind, ist das bereits ein optisches Ereignis für sich. In diesen nahezu sakralen Raumeindruck setzt Hüpeden seine großformatigen Bilder als Anhaltspunkte und als Geheimnisträger hinein. Was auf der großen Mauer mit der Eingangstür wie eine geometrisch ausgestellte Kunst am Bau erscheint, wird auf den Leinwänden zum Fokus, der unsere Augen zum Rotieren bringt. Dreiecke, Trapeze und andere Flächen stoßen mit Kreisformen zusammen und ergeben ein Bild, das gleichermaßen als Flächenstruktur und als Raumsimulation zu betrachten ist. Mit dem ersten Blick verliert sich unsere auf bekannte Formen zielende Wahrnehmung in der Unsicherheit. Und nachdem die Op-Art der 1960er Jahre mit geometrischen Formen die Lust am freien Spiel mit der Geometrie etabliert hat, schwelgen die Betrachter erst einmal im Sog eines ornamental wirkenden Zaubers. Anders als bei der Gleichmäßigkeit der Op-Art und des Ornaments hat Hüpeden allerdings die Unregelmäßigkeit zum Prinzip erklärt. Und genau das lässt den Betrachtern keine Ruhe. Wie bei den Wahrnehmungstests der Psychologen sucht das Auge in den abstrakten Flächenverschiebungen nach einer klaren Gestalt. Und immer wieder, für Augenblicke, findet es diese Gestalt und eine (Be-)Deutung, die sich allerdings nie länger halten lässt. Zu kurz also, um zu einer Erinnerung oder Erklärung werden zu können. Dass Hüpedens Bilder auf technische Dinge verweisen, ist dabei auch nur eine vage Ahnung unter anderen. Im Grunde wissen wir nichts beim Blick auf diese Bilder. Genau dieser Schwebezustand ist der besondere Reiz in Hüpedens Malerei, die auch deshalb trägt weil sie sorgfältig und genau ausgeführt ist.
Jürgen Kisters , Kölner Stadtanzeiger, 19.3.2009